Club-News 20.01.2016
20.Januar 2016

Club-News 20.01.2016

20
Januar
Erstellt von SC-Willingen
Kategorie: Club-News
2016
20 .Januar 2016
Kategorie: Club-News
Erstellt von SC-Willingen

„SCW-Silberjunge“ Stephan Leyhe nach Skiflug-Coup am Kulm:
„Freue mich, wenn ich allen beim Ski-Club mit WM-Silber etwas zurückgeben kann“

Am vergangenen Sonntag gewann Stephan Leyhe vom Ski-Club Willingen im Team-Wettbewerb bei der Skiflug-WM am legendären Kulm in Tauplitz/Bad Mitterndorf mit der deutschen Mannschaft sensationell die Silbermedaille. Gemeinsam mit Andreas Wellinger, Richard Freitag und Severin Freund zeigte der 24-jährige Schwalefelder in einem spannenden Wettkampf im Finale keine Nerven und flog der Vize-Weltmeisterschaft mit seinem Satz auf 202 Meter ein gutes Stück näher. Als der Triumph feststand, war an der Mühlenkopfschanze beim Continental Cup und in der Upländer Heimat die Hölle los. Nach der Rückkehr aus Österreich an seinen Trainingsort in Hinterzarten im Schwarzwald und vor dem Abflug zur nächsten Weltcup-Station nach Zakopane in Polen führte Weltcup-Pressechef Dieter Schütz das folgende Telefon-Interview mit Stephan Leyhe.

Stephan, herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille mit dem deutschen Team bei der Skiflug-WM am Kulm. Hast Du diesen großen Erfolg rund 48 Stunden danach überhaupt schon realisiert oder ist das alles noch ein Traum?

Stephan Leyhe: „Erst war das alles wie im Film, aber auf der Rückfahrt vom Kulm habe ich den Erfolg und den Medaillengewinn dann schon realisiert, da bin ich ein wenig zur Ruhe gekommen. Gemeinsam mit meinem DSV-Trainer Stefan Horngacher und meinem Nationalmannschaftskollegen Andreas Wank bin ich zurück nach Hinterzarten gefahren. Zum Feiern war gar keine Zeit. Wir haben unsere Sachen im Hotel in Österreich zusammengepackt, dann ging’s zurück in die Heimat.“

Erzähl doch mal, was bei Dir im Kopf los war, als Du fürs Team nominiert warst? Nach den gezeigten Leistungen hattest Du Dir das voll und ganz verdient. Trotzdem muss man das als Sportler verarbeiten. Und viel Zeit blieb Dir ja nicht bis zum Wettkampf. Wie war die Nacht davor? Hast Du ruhig schlafen können vor dieser großen Chance?

Stephan Leyhe: „Ich war zunächst sehr froh, dass ich zur Skiflug-WM mitfahren durfte. Dann ging es darum, gut zu fliegen und rein zu finden. Das hat auch ganz gut funktioniert. Als der Platz im Team nach dem Einzel und Platz 19 feststand, habe ich mich riesig gefreut. Extrem nervös war ich vor dem Team-Fliegen nicht. Ich konnte in der Nacht davor gut schlafen. Erst vor dem Wettkampf kam die Nervosität.“

Hättest Du gedacht, dass Dir in Deiner Karriere irgendwann einmal ein solcher Coup gelingt? Du bist ja nun auch schon ein paar Jahre seit Kindesbeinen auf den Sprungskiern unterwegs. Was bedeutet diese Medaille für Dein Selbstvertrauen als Athlet?

Stephan Leyhe: „Ich hab es immer gehofft, dass ich mal eine Medaille gewinne. Davon träumt jeder Sportler. Damit gerechnet habe ich nicht. Es war ein langer Prozess, seit ich mit fünf Jahren mit dem Skispringen angefangen habe. Da gab es viele Höhen und Tiefen. Wenn es läuft, ist es cool. Wenn es mal nicht läuft, fragt man sich schon, ob das alles noch klappt. Deshalb bin ich jetzt sehr froh. Was es für mein Selbstvertrauen bedeutet, werden die nächsten Wettkämpfe zeigen. Ich bin da guter Dinge. Was man hat, das hat man.“

Nach der Rückkehr aus Österreich war bei Dir gewiss einiges los. Erzähl doch mal, wer alles was von Dir wollte bzw. wer alles auf den verschiedenen Kanälen zu den Gratulanten gehörte. Und die Medien haben Dich jetzt nach WM-Silber sicherlich auch entdeckt. Oder?

Stephan Leyhe: „Es hielt sich alles in Grenzen. Es waren die Heimatzeitungen aus Waldeck-Frankenberg, die sich gemeldet haben. Friederike Göbel hat für die HNA und die WLZ angerufen. Dann noch ein Journalist von der Westfalenpost. Das war’s eigentlich schon. So konnte ich mich nach den anstrengenden Tagen am Kulm doch ganz gut erholen.“

Was bedeutet Dir persönlich nach all den vielen Jahren des fleißigen Trainings der Erfolg am Kulm? Es lief ja bislang in Deiner Karriere nicht immer so rund. Wer hat Dich in Deiner bisherigen Laufbahn am meisten gefördert?

Stephan Leyhe: „Ich bin dem Ski-Club Willingen sehr dankbar. Dort wurde und werde ich immer unterstützt. Die Leidenschaft fürs Skispringen hat sich bei mir spontan ergeben. Mein Vater Volker ist früher gesprungen, mein Bruder Christoph auch. Ich bin als Knirps beim Ski-Club-Vereinstrainer Jörg Pietschmann vorbeigeschneit, und das Training hat mir Spaß gemacht. Vom Skifahren war ich schon immer begeistert. Der SCW hat viel für mich getan mit all den Trainern und Verantwortlichen in den zurückliegenden Jahren.  Da sind meine Kindheitstrainer, Jörg Pietschmann, Jens Kramer, Christian Behle, jeder hat mir was mit auf den Weg gegeben. Dann in der Jugend, Heinz Koch, Nik Huber, die mich gefördert haben. Und dann nach dem Wohnortwechsel von Schwalefeld nach Hinterzarten waren und sind es Ronny Hornschuh, Jens Deimel und Stefan Horngacher als engagierte Trainer, denen ich etwas zu verdanken habe.“

Du wirst von Deiner Ski-Club-Vereinskameradin Petra Behle gemanagt, selbst als Olympiasiegerin und Weltmeisterin erfolgreiche Biathletin vergangener Jahre. Auch VIESSMANN unterstützt Dich. Welche Bedeutung hat das für Dich?

Stephan Leyhe: „Ich fühle mich im VIESSMANN-Team bestens aufgehoben und bin froh, dass ich dort so gut unterstützt werde. Der Chef des Weltunternehmens in Allendorf/Eder, Herr Prof. Dr.Viessmann, ist ein so sympathischer Mann, da kann ich gar nicht genug danke sagen.

Petra Behle ist super, sie macht das ganz klasse. Weil sie selbst erfolgreiche Leistungssportlerin war, weiß sie ganz genau, wann man Kontakt zum Athleten aufnimmt und wann man den Sportler besser in Ruhe lässt. Das macht sie extrem gut. Da bin ich in sehr guten Händen. Petra hat mich gestern angerufen und mit gratuliert.“

Wie waren denn die Reaktionen aus Deinem Heimatort Schwalefeld bzw. aus der Upländer Heimat vor, während und nach der Skiflug-WM? Blieb überhaupt Zeit, das alles verfolgen zu können? Was haben Deine Eltern Renate und Volker (Foto rechts mit OK-Chef J.Hensel), was Dein Bruder Christoph unmittelbar nach dem Triumph gesagt? Du hast ja mit Volker telefoniert, wie er auf der „Silber-Feier“ im Vereinslokal Cafe-Müller berichtet hat.

Stephan Leyhe: „Mit meinem Vater habe ich zwei Stunden nach der Fahrt von der Flugschanze telefoniert. Er hat mir berichtet, dass es im Vereinslokal bei Bäckes eine spontane Feier gibt, zu der er mit meiner Mutter Renate auch gefahren ist. Es soll schön gewesen sein. Über Facebook und WhatsApp habe ich ganz viele Gratulationen aus dem Upland bekommen, über die ich mich sehr gefreut habe. Ich möchte mich bei allen ganz herzlich bedanken, die an mich gedacht und mitgefiebert haben. Ich kann nicht jedem einzelnen antworten, aber diese tolle Unterstützung ist ganz große Klasse. Ich habe gehört, dass in meinem Heimatort Schwalefeld noch ein Schild aufgestellt worden sein soll. Aber genaueres weiß ich noch nicht.“

Der erste WM-Start und gleich die erste Medaille. Vom verpatzten Quali-Flug bis zu dem Moment, wo die Silbermedaille um Deinen Hals hing, muss es für Dich ein Auf und Ab der Gefühle gewesen sein? Wie hast Du das vom Kopf her alles weggesteckt? Und dann noch Skifliegen, das zehrt sicherlich auch ganz anders an den körperlichen Kräften als das Skispringen.

Stephan Leyhe: „Das Skifliegen zieht schon sehr viel Energie, das merkt man vor allem abends. Der erste Tag geht immer noch, aber die Beine sind schon etwas schwerer als beim Skispringen. Was bei dem verkorksten Quali-Sprung los war, das wissen wir immer noch nicht so genau. Den habe ich aber gut weggesteckt. Dann lief es ja auch mit einigen Flügen über die 200 Meter-Marke. Nach dem missglückten ersten Wertungssprung im Team war ich schon etwas angefressen. Es ging zuvor immer über 190 Meter, also war ich da verärgert über mich selber. Vielleicht hat mich das auch zum richtigen Zeitpunkt wachgerüttelt, damit ich dem Team mit einem guten Finalsprung noch helfen konnte. Es ist ein prima Gefühl, mit einer Medaille und einem „200er“ von einer Flugschanze wegzufahren.“

Du hast bislang schon eine anstrengende Saison hinter Dir, warst erstmals von Beginn an im Nationalteam von Werner Schuster im Weltcup dabei. Machst Du eine Pause zur Erholung oder geht es jetzt voll weiter? Wie ist Dein persönliches Verhältnis zum Bundestrainer? Und was erwartest Du vom weiteren Saisonverlauf?

Stephan Leyhe: “Eine Pause ist nicht geplant, wir sind kurz vor der Hälfte der Saison. Ich fühle mich momentan fit. Ich möchte mich weiter steigern und mit viel Selbstvertrauen an den Start gehen. Ein Ziel ist es für mich, auch im Einzelwettbewerb unter die Top Ten zu springen. Das Verhältnis Trainer/Athlet ist auf allen Ebenen gut. Werner Schuster betreut als Cheftrainer das große Ganze, gibt uns wertvolle Tipps. Sprungtechnisch coacht mich Stefan Horngacher, mit dem ich auch gut klar komme. Das Verhältnis zu den Trainer ist so, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Wir sind auch hier ein gutes Team, anders geht es auch gar nicht, wenn man gemeinsam Erfolg haben will.“

Severin Freund und Co. waren bei ihrem Mannschafts-Olympiasieg in Sotschi 2014 meilenweit entfernt für Dich. Nun frühstückst Du mit den Jungs fast tagtäglich, spielst mit ihnen Karten und bist selbst Vize-Weltmeister im Team. Es ging alles recht schnell. Hast Du immer an Dich und Deine Chance geglaubt? Ist das alles bei Dir schon angekommen oder kneifst Du Dich manchmal?

Stephan Leyhe: „Mittlerweile habe ich das verinnerlicht, dass ich als Teil der Mannschaft dazu gehöre. Ich bin ja seit dem Sommer letzten Jahres fest dabei. Früher bei Phasen des Reinschnupperns war der Gedanke noch so – jetzt bist du bei den Großen. Olympiasieger, Weltmeister, Medaillengewinner. Ein Vorteil ist, dass ich alle DSV-Springer schon recht lange kenne. Ich  habe mich richtig gut eingefunden, es macht großen Spaß. Ich glaube, dass ich im Team recht gut angekommen bin.“

Ist es wahr, dass Dir die anderen deutschen Skispringer den Spitznamen „Preuße“ gegeben haben?

Stephan Leyhe (lacht): „Ja, das stimmt. Alles was oberhalb von München liegt, ist für die Jungs eh schon Preußen.“

In Willingen und beim Ski-Club war richtig was los an den TV-Geräten. Alle Leyhe-Fans warten sehnsüchtig auf Deine Rückkehr, um Dir den gebührenden Empfang in der Heimat zu bereiten. Wird es dazu bald Gelegenheit geben oder müssen sich die Upländer noch etwas gedulden?

Stephan Leyhe: „Ich bitte alle in der Heimat um Verständnis und etwas Geduld, das wird schon noch dauern. Es ist mitten in der Saison, und ich will im Weltcup noch einiges erreichen. Wir haben jedes Wochenende einen Wettkampf, dazu kommen die Reisen nach Japan und zur Nordlandtournee. Mit der Skiflug-WM ist zwar ein Saison-Highlight vorbei, aber die Weltcups und die Gesamtwertung sind auch enorm wichtig. Ein solcher Empfang für das WM-Silber im Upland, auf den ich mich sehr freue, ist nach der Saison gut machbar. Und dann ist ja auch noch genug Zeit, gemeinsam zu feiern. Ich bringe meine Medaille sehr gerne mit nach Hause.

Ich kann nur allen danke sagen. Ich kriege das in Willingen beim Weltcup ja immer nur am Rande mit, was da alles an Vorbereitung, Arbeit und Verantwortung dahinter steckt. Alle vom Ski-Club um OK-Chef Jürgen Hensel leisten rund um den Weltcup Großartiges, das kann ich gar nicht hoch genug anerkennen. Von daher freue ich mich umso mehr, wenn ich allen beim Ski-Club, Vereinskollegen und Free Willis, mit dieser WM-Medaille ein bisschen was zurückgeben kann.“

Ski-Club-Mitglieder feierten den „silbernen Stephan Leyhe“ im Cafe Müller

Die Aufräumarbeiten nach den beiden FIS Continental Cups am Sonntag auf der Mühlenkopfschanze gingen den Free Willis des Ski-Club Willingen leicht von der Hand, denn gerade eben hatte Stephan Leyhe vom SC Willingen als Mitglied der deutschen Nationalmannschaft im Team-Wettbewerb die Silbermedaille bei der Skiflug-WM am Kulm in Österreich gewonnen. Nur Norwegen war besser als das deutsche Quartett mit Andreas Wellinger, Stephan Leyhe, Richard Freitag und Severin Freund, das Österreich beim Heimspiel in Tauplitz/Bad Mitterndorf noch vom zweiten Platz verdrängte. Mit einem starken Flug auf 202 Meter hatte der 24-jährige Schwalefelder Stephan Leyhe im Finale seinen Beitrag zum Team-Silber geleistet, nachdem es zuvor im ersten Wertungsdurchgang mit 168 Metern nicht ganz rund gelaufen war.

Spontan kam von Ski-Club-Präsident Jürgen Hensel nach diesem fantastischen Erfolg, den viele in der Geschäftsstelle und im Pressezentrum an der Schanze verfolgt hatten, per SMS-Versand für die SCW-Mitglieder die Info und Einladung zu einer kleinen Feier im Vereinslokal „Cafe Müller“, wo sich rund 40 Leyhe-Fans auf einen Umtrunk mit diversen Flammkuchen-Leckereien versammelten. Darunter auch Stephans Eltern Renate und Volker, die viele Gratulationen entgegennahmen. „Wir haben mit Stephan telefoniert, er freut sich sehr, kommt aber erstmal nicht heim, weil es Mitte der Woche schon zum Weltcup nach Polen und dann nach Japan weitergeht“, sagte Volker Leyhe. Renate Leyhe bestätigte, dass es ihr stets ganz schwer fällt, Stephan beim Skispringen oder Skifliegen zuzuschauen. „Ich bin als Mutter jedes Mal froh, wenn alles gut gegangen ist.“ Jürgen Hensel (Foto rechts mit Volker Leyhe und Schanzenchef Andi Rohn) bedankte sich in einer bewegenden Rede mit einigen Emotionen zunächst für den tollen Einsatz aller Free Willis beim Weltcup und beim Conti Cup. In Bezug auf die Silbermedaille von Stephan Leyhe zeigte er sich ergriffen. „Das ist unglaublich, das hat es für den Ski-Club noch nicht gegeben, der erste Skispringer, der eine WM-Medaille gewinnt. Und das gleich bei der ersten WM-Teilnahme überhaupt“, sagte der Willinger Weltcup OK-Chef. Die Freude kannte keine Grenzen. So manches Bier wurde auf den erfolgreichen Weitenjäger des SC Willingen geleert, auch wenn alle nach den Skisprung-Wochenenden müde waren. Und zu gegebener Zeit wird es für Stephan Leyhe vom Ski-Club und der Gemeinde Willingen ganz sicher den verdienten Empfang in der Heimat geben. Stephan selbst meldete sich nach den strapaziöse, aber unvergesslichen Tagen bei der Skiflug-WM am Kulm, dem Gewinn der Silbermedaille und der Siegerehrung per WhatsApp zweieinhalb Stunden nach der grandiosen Vorstellung der DSV-Adler beim SCW-Vorstand. „Ja, so langsam beginne ich zu begreifen, was gerade passiert ist. Ich freue mich riesig“, schrieb er mit seinem Handy. „Da war der erste Sprung auch schnell vergessen, über den ich mich geärgert habe.“ Selbst im größten Erfolg seiner Karriere reflektierte er das Geleistete selbstkritisch, was Stephan Leyhe einfach so sympathisch macht. Ein Abheben ist für den bodenständigen Upländer ausgeschlossen – außer als Skispringer und Skiflieger auf den größten Schanzen dieser Welt.

Dieter Schütz - Weltcup-Pressechef